VOM GLÜCK DES SINGENS (Auszug OZ, 29.03.2010)

Vom Glück des Singens

S. Rosenkötter OZ Montag, 29.März 2010 (Auszug)

Gerd Strübing (55) liegt das Maritime im Blut. Er arbeitet bei der Wasserschutzpolizei, ist im Seglerverein aktiv und singt seit 30 Jahren im Shantychor Rerik (Kreis Bad Doberan). Hier fühlt er sich wohl, genießt das Gemeinschaftsgefühl. „Singen bedeutet für mich inneres Glück“, schwärmt er. „In erster Linie bin ich Sänger.“

Wenn sie singen im Männerchor „Reriker Heulbojen“, dann singen sie von weiten Fahrten, von Piraten und stürmischer See. Dem wilden, freien Leben ihrer Träume.

Für Schatzmeister Wolfgang Fischer (62) ist Singen eine „innerliche Befriedigung“, die Probe sein „Höhepunkt der Woche.“ Er sagt, er würde nie überlegen, wie er sich vor dem wöchentlichen Treffen drücken könnte. „Wenn die Probe vorbei ist, dann habe ich etwas für mich getan.“

Schon 40 Minuten vor Probenbeginn trudeln die ersten Sangesbrüder im Vereinsheim ein. „Sie sind heiß“, sagt Gerd Strübing, der auch erster Vorsitzender ist. Zu Hause hält sie an diesem Mittwochabend im März nicht mehr. Von 19.00 bis 20.30 Uhr proben die 42 Mitglieder des Chores ihre Lieder. Bevor es losgeht, werden Theke und Sitzgruppe geentert. Die Männer halten noch einen kurzen Klönschnack, ölen ihre Stimme mit einem kühlen Bier.

Doch was treibt sie an, warum stehen 40 gestandene Kerle mehr als 50 Mal pro Jahr auf der Bühne, proben von Januar bis Ende Mai einmal wöchentlich?

Etwas für sich tun, das möchte auch Klaus Wolfert (51), stellvertretender Vorsitzender der Heulbojen. Der 51-jährige arbeitet im Einzelhandel, beschreibt seinen Beruf als sehr stressig. „Hier kann ich abschalten. Das macht richtig Spaß“, versucht Wolfert den Reiz des Singens zu erklären.

So frei und fröhlich ging es bei den Heulbojen, dem dienstältestem Shantychor von Mecklenburg-Vorpommern, nicht immer zu. Vor dem Fall der Mauer war die Auswahl des Liedgutes deutlich geringer. „Kam das Wort Hamburg im Text vor, dann durften wir es nicht singen“, erinnert sich Strübing. Dass habe sich nach der Wende ganz schnell geändert.

Doch nicht nur neue Lieder kamen hinzu, auch traten die Männer von nun an auch im Westen auf, schafften es sogar als erster ostdeutscher Shantychor nach Wien zum traditionellen Advents-Singen in den Rathaussaaal. Und Chorleiter Horst Schirmer (60) ergänzt: „Man spürt unmittelbar den Erfolg seines Schaffens.“ …