Ältester Shantychor in MV: Reriker Heulbojen feiern 75. Geburtstag

OZ vom 24.04.2022 GINA HENNING

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Rerik

„Wenn ihr so singt, klingt ihr wie ein alter Männerchor“, sagt Horst Schirmer zu den Reriker Heulbojen bei der letzten Probe kurz vor dem Auftritt. Sein Spruch erntet Lacher bei den Männern. Doch die Botschaft kommt an. „Ein bisschen energischer bitte“, sagt der Chorleiter. Und dann ertönen die Stimmen des Shantychors voller Elan: „E-rik, aus Re-rik“, singen sie den norddeutschen Klassiker. Die Lieder sitzen. Der Auftritt anlässlich des 75. Geburtstages kann losgehen.

Am Freitag, den 22. April, haben die Reriker Heulbojen ihr Jubiläum mit einer Ausstellungseröffnung in der Reriker Kösterschün gefeiert. Bis zum Jahresende können die Besucherinnen und Besucher dort an den ausgehängten Tafeln etwas über die Geschichte der vergangenen 75 Jahre des Shantychores lesen und sich die schönsten Momente, die auf Bildern festgehalten wurden, ansehen.

Zur Veranstaltung gehörte auch der Auftritt des Chores. Es war das erste große Event seit Langem. Denn die Pandemie habe auch den Verein ausgebremst. „Wir haben das schönste Hobby der Welt, aber durch Corona wurde es zum gefährlichsten Hobby erklärt“, sagt der Vorstandsvorsitzende Klaus Wolfert. Die Zeit ohne Auftritte und Proben sei „schlimm“ für die Heulbojen gewesen. „Wir haben in Stimmgruppen geprobt und über WhatsApp und Co. Videos geschickt, damit jeder für sich üben kann, aber die Gemeinschaft ist ja das Schönste daran und das fehlte“, erzählt er. Umso größer war die Freude an diesem Tag, dass endlich wieder alle zusammenkommen konnten. Sowohl die Mitglieder des Shantychores als auch ihre Frauen und Kommunalpolitiker aus der Region waren am Freitag eingeladen. Einen offiziellen Festakt für alle Menschen wird es am 27. Mai im Vereinsheim der Heulbojen geben. Horst Schirmer schätzt am meisten die künstlerische Art der Reriker Heulbojen. „Wir interpretieren viele Lieder mehrstimmig, das ist das Gerüst unserer Arbeit und unterscheidet uns von anderen Shantychören“, sagt der 73-Jährige. Seit 15 Jahren ist er nun Chorleiter der Gruppe. Er hat den Posten von Joachim Renz übernommen, der 2017 verstorben ist. Damals sei ein Nachfolger gesucht worden. Ein Kollege von Schirmer habe bereits bei den Heulbojen gesungen und ihn gefragt, ob er nicht als Chorleiter mitmachen möchte. Der ehemalige Musiklehrer habe Ja gesagt.

„Es war aber eine Herausforderung“, erinnert er sich. Da er aus Sachsen-Anhalt kommt, habe er anfangs Schwierigkeiten gehabt, die plattdeutschen Lieder zu verstehen. „Die Jungs haben manchmal gelacht, weil ich gar nicht wusste, was ich singe.“ Die Anekdote erzählt er noch heute gern. Beim Auftritt des Shantychores am Freitag bedankte er sich bei seinem Chor für ihre Unterstützung. Heute möchte er das plattdeutsche Fischerlied „Hal mi den Saalhund“ nicht mehr missen. „Ist der ,Saalhund’ nicht im Programm dabei, dann komme ich nicht“, sagt er scherzhaft. Das Lied erzählt die Geschichte des Kampfes der Fischer von Rügen mit den Seehunden. Sie werden zur Konkurrenz, weil sie die Fische fressen. Es gehört auch zu den Lieblingsliedern von Klaus Wolfert. Der Vorstandsvorsitzende ist seit 25 Jahren Teil der Reriker Heulbojen. Etwa 45 Mitglieder im Alter von 60 bis 89 Jahren zählt der Männerchor heute. „Wir suchen immer junge Leute und würden diese gern bei uns begrüßen“, sagt er. Es sei aber auch ein sehr zeitaufwendiges Hobby. „Rund 100 Tage im Jahr sind wir mit Proben, Auftritten und Versammlungen beschäftigt.

Der Shantychor war bereits deutschlandweit sowie international unterwegs. So waren sie nicht nur in Prag, sondern bereits zweimal beim Adventssingen in Wien. Dort durften sie sich sogar ins Goldene Buch der österreichischen Stadt eintragen. Es sind Erinnerungen, die die Sänger noch lange begleiten werden. So haben sie in den 75 Jahren auch bereits mit einigen bekannten Sängerinnen und Sängern auf der Bühne gestanden. Darunter Ute Freudenberg, Wolfgang „Lippi“ Lippert oder DJ Ötzi.

Um zu zeigen, dass das Vereinsleben lustig sein kann und der Männerchor offen für Neues ist, haben die Heulbojen im vergangenen Herbst vier kleine Filmspots mit der Rabauke Filmproduktion aus Rostock gedreht. Darin seien die Sänger selbst zu Schauspielern geworden. Am Freitag wurden die Videos erstmals gezeigt.

Eigentlich sollte es ein Imagefilm werden, wie Wolfert erklärt. Die Idee für die Spots sei erst später gekommen. Es sei wichtig gewesen, eine überzeugende Bewerbung für eine Filmförderung zu erarbeiten. „Mit der Rabauke-Filmproduktion Rostock konnten wir bereits Erfahrung sammeln für den Kühlungsborn-Film. Als wir mit anderen Künstlern das Lied ‚An guten Tagen‘ von Johannes Oerding sangen“, sagt Klaus Wolfert. Gemeinsam entwickelten die Heulbojen und das Produktionsteam den neuen Gedanken mit den lustigen Spots.

Die Eröffnung der Sonderausstellung war Wolfert zufolge ein voller Erfolg. Die Filmspots seien bei allen super angekommen und es sei herzhaft gelacht worden. „Bürgermeister Gulbis sowie sein Amtskollege Kozian aus Kühlungsborn waren vollen Lobes über die gelungene Veranstaltung“, so der Vereinsvorsitzende.

Die Filme sollen später auf den Kanälen wie Facebook, YouTube und Instagram zu sehen sein. Bis dahin müssen sich die Menschen aber noch ein wenig gedulden. Die Videos werden aber auch bei der Feier im Mai zu sehen sein.

Gegründet hat sich der Reriker Männerchor im Jahr 1947, nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Mit seinen 75. Jahren ist er der dienstälteste Shantychor Mecklenburg-Vorpommerns. Doch damit ist er nicht weniger modern. Eine neue Website sowie ein Facebook– und ein Instagram-Kanal zeigen, dass die Männer mit der Zeit gehen.

Von Gina Henning